Ev. Kirche Raudnitz-Frödenau, Kreis Rosenberg, Westpreußen Anmerkungen zum Totenregister 1862-1874
Heinz Timmreck
Im Rahmen meiner Familienforschung habe ich einige verfilmte Kirchenbücher des Kirchspiels Raudnitz-Frödenau eingesehen. Hierbei fiel mir der außergewöhnliche Anstieg der Cholerafälle im Jahr 1873 auf. Da aber die angegebenen Todesursachen auch auf die damaligen sozialen und gesundheitlichen Verhältnisse schließen lassen, habe ich einige der Todesursachen festgehalten.
Die verfilmten Kirchenbücher können beim Ev. Zentralarchiv in Berlin, der Deutschen Zentralstelle für Genealogie in Leipzig oder bei den Genealogischen Forschungsstellen der Mormonen eingesehen werden.
Während heute Herz- und Kreislaufkrankheiten sowie Krebs die häufigste Todesursachen sind, waren es damals Krankheiten, die auf nicht ausreichende und auf Unwissenheit beruhende falsche Ernährung sowie auf Infektionen zurückzuführen sind. Die Säuglings- und Kindersterblichkeit war daher sehr hoch. Die Todesursachen wurden hauptsächlich nach den äußeren Symptomen von Laien festgestellt oder beruhten auf Angaben der den Tod anzeigenden Personen, weil die ländliche Bevölkerung sich einen Arzt einfach nicht leisten konnte. Dies änderte sich erst langsam nach Einführung der gesetzlichen Kranken-versicherung im Jahre 1883.
Todesursachen
Hier nur einige Beispiele: Alter, Auszehrung, Bräune (Diphtherie), Blutsturz, Durchfall, Cholera, Engbrüstigkeit (Asthma), erfroren, erhängt, ertrunken, Gelbsucht, Geschwüre, Harnfieber, Husten, im Streit erschlagen, infolge eines Falles (Sturz), infolge der Geburt (Kindbett), Keuchhusten, Krämpfe, Krebs, Kolik, Lungenentzündung, Magenleiden, Magersucht, Masern, Nervenfieber, Pocken, Scharlach, Schlagfluß (Schlaganfall), Schwäche, Schwindsucht, Typhus, tot geboren.
Auszehrung
Abmagerung, Kräfteverfall und die Austrocknung des Körpers im Endstadium waren äußeres Zeichen für dieses Krankheitsbild. Auszehrung betraf alle Altersstufen, vorwiegend jedoch Säuglinge und Kleinkinder.
Bräune (Diphtherie)
Wegen der bräunlich/grauen Belege auf den Mandeln und den Schleimhäuten anderer Organe wurde die Diphtherie im Volksmund Bräune genannt. Dem in Hansdorf im Kirchspiel Raudnitz-Frödenau geborenen Emil von Behring gelang es, 1891 Impfstoffe gegen Diphtherie und den Wundstarrkrampf/Tetanus zu entwickeln. Er erhielt dafür nebst vielen anderen Ehrungen und Auszeichnungen als erster 1901 den Nobelpreis für Medizin.
Cholera
Kennzeichnend ist der starke Flüssigkeitsverlust und die tödliche Austrocknung. Diese Krankheit und auch die Pest überzogen in mehreren Wellen aus Asien kommend weite Teile Europas. Anscheinend letztmalig erreichte die Cholera im großem Maß auch unsere Heimat im Jahre 1873. Robert Koch entdeckte 1883 den Choleraerreger und erhielt dafür 1905 den Nobelpreis für Medizin. Die Cholerabakterien halten sich im Trinkwasser auf und vermehren sich dort. Aber es dauerte noch viele Jahre bis mit der strengen Trennung von Trinkwasser und Abwässern (z.B. Einführung von Kanalisation in den Städten) sowie der Entwicklung von Medikamenten diese Seuche ihre Schrecken verlor.
Schwäche
Diese Krankheitsbezeichnung kann viele Ursachen haben, sicherlich aber überwiegend eine Folge von Armut, schlechten Lebensbedingungen und Unwissenheit.
Kriegstote 1870
Im Anhang zum Totenregister befindet sich noch folgende Eintragung (gekürzt):
„Im Feldzuge 1870 geblieben und hier auf Grund der amtlich ausgehändigten Mittheilungen eingetragen.
1. Daniel Brgegowsky (?) aus Frödenau, 44. Regiment,
2. Christian Schlag aus Raudnitz, 12. Garde-Regiment,
3. Adam Widlicky aus Julienhof, 33 Regiment,
4. Wilhelm Pawlowsky (?), aus Hansdorf, Hornist, 3. Garde-Regiment,
5. Johann Ger…(?), Bauer aus Sumpf, Gefreiter, 44. Infanterie-Regiment,
6. Martin Scheminsky aus Neufahr, 33. Regiment,
7. Rudolph Schaar,
8. Carl Leissa (?),
9. Friedrich Bank, aus Gr. Schönforst, 44. Infanterie-Regiment.“
Leider habe ich nur die Anzahl der Geburten für die Jahre 1862-1866, aber man sieht deutlich den hohen Sterbeanteil an den Geburten Die Sterberate hat sich bis 1872 leicht erhöht, um wegen der Choleratoten im Jahr 1873 hochzuschnellen sowie dann im Jahre 1874 erheblich herabzusinken.
Meine Angaben erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dies bleibt einer wissenschaftlichen Auswertung von Fachleuten vorbehalten. Aber diese Anmerkungen zum Totenregister dürften einen kleinen Einblick in die damaligen sozialen Verhältnisse geben.
Ausblick
Die im Totenregister als Todesursache vermerkten Seuchen stellen heute in Europa keine Gefahr mehr dar. Aber Krankheiten wie Aids und neuerdings die Lungengrippe SARS sind neue Herausforderungen für Wissenschaft und Forschung.
Bad Salzuflen, im Juli 2003