Groß Freienholz bei Sanitz, Kreis Rostock, Mecklenburg

Groß Freienholz bei Sanitz, Kreis Rostock, Mecklenburg (SBZ)
November 1945 bis Mai 1947

Unsere Zwangsausweisung mit einem Güterzug aus Ostpreußen endete am 12.11.1945 in Sanitz bei Rostock. Hier wurden alle Menschen aus unserem Waggon im Ort und auf umliegende Dörfer verteilt. Wir kamen nach Groß Freienholz, welches aus zwei größeren Höfen, zwei Forstarbeiterhäusern und einigen Wohnhäusern bestand. Mit uns waren die Osteroder Familien Danziger, Fröhlich und Witt. Aus Ostpreußen hat mein Bruder ein Gesangbuch gerettet. Ansonsten hatten wir nur die Sachen, die wir am Leibe trugen.
Ein paar Tage nach der Ankunft in dem einsam von Wäldern umgebenen Groß Freienholz, versuchten mein Bruder Diethelm und sein gleichaltriger Freund Walter Fröhlich wieder zurück nach Ostpreußen zu fahren. Auf dem Rostocker Bahnhof wurden beide von der Polizei aufgegriffen und zurück nach Groß Freienholz geschickt. In Groß Freienholz haben wir richtig gehungert. An einem der ersten Tage ging meine Mutter mit mir zu einem Bauernhof, um dort etwas Nahrung zu erbitten. Die Bäuerin holte aus einem auf dem Herd stehenden großen Kochtopf in ihrer Schürze Pellkartoffeln, einige davon habe ich, als wir wieder die Straße betraten, vor Hunger sofort mit der Pelle aufgegessen. Es war sehr erniedrigend, meine Mutter hat es daraufhin nie wieder getan. Für uns drei gab es pro Woche ein Kastenbrot, das wir aus Sanitz holen mussten. Meine Mutter machte dann für jeden Tag der Woche Kerben in das Brot, um es gleichmäßig als Tagesrationen aufzuteilen. Ich werde nie vergessen, dass ich zu meinem Geburtstag am 6. Juli 1946 –ich wurde 9 Jahre alt- eine Scheibe Brot extra bekam. Der Hunger war so groß, dass die größeren Jungen der genannten Familien nachts an die Kartoffelmieten eines Großbauern gingen und Kartoffeln „stahlen“, die teilweise bereits gefroren waren. Kartoffeln waren unsere Hauptnahrung. Fast täglich gab es die sogenannte „Reibselsuppe“. Die Kartoffeln wurden dünn geschält, gerieben und gekocht. Das gab dann einen dicken Brei, der mit etwas Milch oder Marmelade einigermaßen schmackhaft gemacht wurde.